... Und
hier steht Kimble nun. Mit starren Nacken, zusammengepreßten Lippen
und unendlicher Trauer im Herzen blickt er die Straße herunter -
und wartet.
"Tss, das solltest du besser nicht tun." tönt es aus der Dunkelheit
der Mauer rechts über seinen Kopf. Kimble zuckt zusammen. Stutzt.
Dann fährt er herum, riskiert einen Blick hinter sich, wo aber nur
Schatten ist. Hat er plötzlich Halluzinationen? Jetzt in seiner
höchsten Not?
"Komm her!" ruft die Stimme wieder. Es hört sich an, als gehöre
sie einem jungen Mann. Kimble ist mehr verblüfft als erstaunt, aber
seine mühsam aufrecht erhaltene Ruhe schlägt urplötzlich in hektische
Panik um.
"Was ...?" stottert er und versucht im Finstern etwas zu erkennen.
Aber da ist nichts!
"Nun komm schon! Oder willst du hier sterben?"
Nein. Wenn er es sich recht überlegt, dann will er leben! Leben,
um seiner Existenz wieder einen Sinn zu geben. Den Einarmigen finden!
Das will er. Und dazu muß er am Leben bleiben. Er wendet sich hoffnungsvoll
der Stimme zu. In diesem Augenblick entdeckt ihn die Patrouillie.
(...)
Wogen ohnmächtiger Schwärze drohen Kimbles Bewußtsein zu verschlingen,
jetzt, wo er weiß, daß der Tod nur noch Sekunden und wenige Schüsse
entfernt sein kann. Nein! Und die Angst verleiht ihm ungeahnte Kräfte
zu einem Sprint in den - rettenden (?) - Schatten hinein. - Aber
was, wenn nun hier gar nichts ist? Alles nur Einbildung? Dann gibt
es nur eine Antwort. - Aus!
Kimble hatte nie eine andere Wahl.
Die Intervalle zwischen den Schüssen verkürzen sich. Entweder ist
der Sergeant nun warm geworden oder er hat Verstärkung bekommen.
Die Kugeln pfeifen immer dichter an ihm vorbei, als Kimble tief
in der Dunkelheit der Häuserwand - direkt vor sich - die Streben
einer Feuerleiter entdeckt, einer heruntergelassenen Stiege, die
unmittelbar auf das Dach - und in die Sicherheit - führt.
Oben hockt ein bleicher Totenschädel mit tiefschwarzen Augenhöhlen.
Das läßt Kimble zurückzucken. Und einen Sekundenbruchteil zögern.
Bevor er erkennt, daß es sich lediglich um ein geschminktes Gesicht
mit umrandetem Mund und senkrechten Strichen über und unter den
Augen handelt.
Ein Halloweenskostüm. Vervollständigt durch einen weiten, schwarzen
Mantel und dazu passender Hose, so daß auf dem ersten Blick der
Eindruck entstand, der Kopf schwebe ohne Körper in der Dunkelheit,
bis Kimbles Augen Einzelheiten unterscheiden.
Dann nimmt er endlich die erste Sprosse in Angriff. Aber sein kurzes
Verharren reicht aus, dem Schützen ein festes Ziel zu bieten. (...)
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