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niemand hält ihn auf, als er den Beichtstuhl betritt.
Der Vorhang klackert an seinen Plastikringen, die ihn an einer dünnen
Stange zusammenhalten, als er zufällt und Ashe vor allzu neugierigen
Blicken verbirgt.
"Vater, vergib mir, ich habe gesündigt." spricht er die übliche Begrüßungsformel,
nachdem er sich auf einem Hocker im Innern niedergelassen hat.
Der kleine Vorhang, der das Gitter zwischen den Kabinen schützt, wird
gelüftet und Ashe hört die Stimme des Mannes, der ihm vor einer Woche
erklärt hat, was es mit der Nacht der Toten auf sich hat.
"Gott sieht alles. Worin auch dein Verbrechen besteht, reinige deine
Seele und erleichtere dich. Gott ist barmherzig, Gott ist gnädig,
wenn du ehrlich bereust." Das sind Worte, wie sie Ashe nicht unbedingt
von seiner Erziehung her kennt, aber sie sind soweit in Ordnung. Er
neigt seinen Kopf, damit der Priester sein Gesicht nicht durch das
Gitter erkennen kann.
"Ist dem so?" Seine Stimme kann sich eines gewissen Spotts nicht erwehren.
"Wenn ich daran nicht glauben würde, wäre ich nicht Priester geworden,
mein Sohn!"
"Gott vergibt einem Raub und Mord und Grausamkeit? Das ist es doch,
was Sie gerade gesagt haben."
"Gott vergibt, wenn du aufrichtig bereust, wenn du gelobst dich zu
bessern, wenn du einsiehst, daß das, was du getan hast, falsch war
und Du anderen Gutes tust."
"Das alles muß man tun, um Gottes Vergebung zu erlangen? Und was,
wenn man das nicht tun will?"
"Gottes Gnade mag grenzenlos sein, aber du mußt sie empfangen wollen."
"Was hat Gott gegen ... Liebe einzuwenden?"
"Wie bitte? Ich verstehe nicht. Gott ist Liebe."
"Nein, das kann er nicht sein, wenn er mit aller Macht zwei Menschen,
die sich gefunden haben, trennen will."
"Es hört sich so an, als ob du jemanden sehr Nahen verloren hast,
mein Sohn. Ist es so?"
"Oh ja, er hat sie mir genommen. - Weil ich ungehorsam war."
"Das tut Gott nicht. Es ist das Schicksal, daß uns die Geliebten nimmt,
oder Menschenhand, aber niemals ist es Gott selbst."
"Ich sehe das anders."
"Ich spüre viel Haß in deinen Worten, mein Sohn. Ist das die Sünde,
die du beichten möchtest?"
"Nein. Oder, na ja, vielleicht ist es eine meiner vielen Sünden. Mit
welcher soll ich anfangen? Folter. Mord. Diebstahl gehört wohl auch
dazu. Haß? Ja, sicher. Rache? Okay, aber das ist es gewesen, warum
ich wieder hier war. Was war daran falsch? Doch die größte Sünde von
allen ist, daß ich ... geliebt habe. So sehr, daß es weh tut. Oh ja!
Und das tue ich immer noch."
"Liebe ist keine Sünde, mein Sohn." wirft der Priester ein, doch Ashe
fährt fort zu wettern, ohne zu reagieren.
"Ich bin jetzt dabei alles andere abzutöten, alles, außer die Rache
und den Haß natürlich. Aber, Vater, am schlimmsten von allen ist,
daß ich es nicht bereue. Ich kann nichts Böses darin sehen, mich für
sie entschieden zu haben. - Doch was wissen Sie schon von solchen
Dingen."
"Ich habe eine Frau und fünf Kinder. Ich liebe sie alle von Herzen.
Und wenn dich das jetzt erstaunt, Fremder, dann laß dir gesagt sein,
daß unser Glaube dies durchaus zuläßt."
Ashe ist tatsächlich ein wenig erstaunt. Aber seine Wut kocht wieder
auf, noch bevor ihn andere Gedanken erreichen können.
"Und natürlich ist da noch meine Gemeinde. Auch sie liebe und ehre
ich. Das Gebot: Liebe deinen Nächsten ist nicht immer ganz einfach
- auch nicht für einen Priester. Und ich bin auch nur ein Mensch und
voller Fehler, aber ich versuche es. Die Liebe, mein Sohn, ist ein
Geschenk Gottes - und keine Sünde. Ich kann verstehen, daß du wütend
und traurig bist, wenn dir ein sehr nahestehender Mensch genommen
wird. Aber Rache ist keine Lösung."
Ashe braucht keinen Priester, um das zu wissen. Nur, andere Lösungen
sind ihm auch verwehrt, also was bleibt ihm, außer Zorn - und Rache?
"Pater, haben Sie jemals das Gefühl gehabt, ohnmächtig zu sein? Mitansehen
zu müssen, wie alles, was Ihnen je etwas bedeutet hat, nach und nach
zerstört wird? Sie stehen dabei und Sie können nichts tun! Sie sind
der Spielball höherer Mächte. Aber dann, in einem winzigen Augenblick,
wo Sie die Initiative ergreifen können und Sie diese auch nutzen,
wird es Ihnen wenige Minuten später von eben jenen höheren Mächten
sofort heimgezahlt, und zwar so gründlich, daß Sie hinterher buchstäblich
in der größten aller Sackgassen stecken." |
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